Mit Druck gegen Schmerzen

Immer deutlicher zeigt sich: Druck, der mit den Händen ausgeübt wird, manuelle Medizin, ist oft die beste Medizin – wenn Rücken, Knie & Co schmerzen.

Von Mag. Sabine Stehrer

Wo tut es weh? Wird jenen rund 1,5 Millionen Österreichern, die an chronischen Schmerzen leiden, diese Frage gestellt, verweist die große Mehrheit auf den Bewegungsapparat.

Wie ist Kreuzweh, Knieschmerzen & Co beizukommen? Erfahrungen, die Ärzte und Patienten des Orthopädischen Spitals Speising in Wien gemacht haben, zeigen eines immer deutlicher: Manuelle Medizin ist zwar nicht immer, aber oft die beste Medizin. Zu den Ärzten in Speising, die Manualmedizin anwenden, zählt Dr. Peter Guglia. Er arbeitet nach einer der Behandlungsformen, die sich mit der beginnenden Forschung über das Bindegewebe beziehungsweise die Faszien beschäftigt.

Die Behandlung -  das Fasziendistorsionsmodell, kurz FDM - erfreut sich steigender Beliebtheit. Wie diese Therapie vorstellbar ist? „Die Schmerzbereiche, die der Patient als solche benennt und wo er hindeutet, werden mit der Hand abgetastet“, erklärt Guglia. Er ergänzt: „Dort, wo der Patient beim Abtasten die größten Schmerzen spürt, also auf den Schmerzpunkten, entlang der Schmerzbänder oder in den Schmerzregionen, wird mit der Hand oder auch nur mit dem Daumen drauf gedrückt, das ist dann auch schon die Behandlung.“

Die verschiedenen Drucktechniken, die viel Kraft seitens des Arztes erfordern, wirken schnell. Die Erklärung dafür, die auf weltweit gleichwertigen Erfahrungen beruht: Durch die Behandlung lösen sich Verspannungen, Verklebungen oder sonstige schmerzhafte Veränderungen des Gewebes beziehungsweise der Faszien, die um Muskeln, Gelenkkapseln, auch um innere Organe gespannt sind, auf. So findet das Gewebe in seine ursprüngliche – gesunde – Form zurück.

Das Fasziendistorsionsmodell nach Typaldos

Vergessen Sie alles, was Sie bisher gelernt haben. Sie lernen eine völlig neue Betrachtungsweise für die Ursache und die Therapie körperlicher Beschwerden und Funktionseinschränkungen. So lautete der erste Satz meines Lehrers bei meiner FDM Ausbildung. Das war aber nicht die letzte Überraschung, die auf mich in der Ausbildung zukam.
 

Fasziendistorsionsmodell (FDM)

Beim Fasziendistorsionsmodell, kurz FDM, wird die Ursache von Beschwerden im Bewegungsapparat auf sechs verschiedene Verformungen zurückgeführt. Diese gilt es mit verschiedenen manuellen Techniken auszugleichen . Der US-Amerikaner Stephen Typaldos entwickelte als Leiter einer Notfallambulanz in Texas die ganz spezifische Herangehensweise an skelettale Beschwerden. Er kombinierte seine Beobachtung, einer stets wiederkehrenden Art der Beschreibung von Beschwerden sowohl in der Gestik und in der Wortwahl mit seinem Modell der Fasziendistorsion.

Im FDM werden 6 verschiedene Störungen innerhalb der Faszien des Bewegungsapparates beschrieben. Die Behandlung läuft nach dem Prinzip „Drück dorthin, wo es wehtut“ ab. In der Praxis zeigt der Patient auf die Schmerzregion. Der Therapeut sollte dann auf Grund der Gestik und auf Grund seiner Erfahrung die jeweilige Störung erkennen und die richtige Behandlung einleiten. Diese wird meistens mit dem Daumen ausgeführt und kann je nach Region für den Patienten äußerst schmerzhaft sein. Daher ist ein Hinweis vor der Behandlung notwendig, dass in der betroffenen Region leichte Hämatome entstehen können. Dies sollte man schon vorher kommunizieren. Nach der Therapie hilft aber eine Kryopackung ganz gut, den therapeutischen Schaden in Grenzen zu halten. Mit ein bisschen Gefühl kann man schon bald Faszienlaesionen ertasten und behandeln. Die Behandlung wirkt erstaunlich schnell. Oft ist schon die erste Behandlung ausreichend.
 

Wie wirkt das Fasziendistorsionsmodell?

Als Erklärung für die Wirkung des FDM muss man sich ein in sich verdrehtes oder verklebtes Triggerband vorstellen. Dieses wird durch Druck entlang des Bandes wieder ausgerichtet und so findet so in die ursprüngliche Form zurück. Oft sind Triggerbänder, die im Bereich von Gelenken liegen, mit anderen Distorsionen, wie hernierte Triggerpunkte oder Faltdistorsionen kombiniert. Ein besonders hilfreicher, wenn auch schmerzhafter Behandlungspunkt ist der SCHTP. Er ist in der Mitte des Trapezius gelegen und bei fast allen Beschwerden des Schultergürtels aktiv und so mitzubehandeln.

Genauso darf bei Sprunggelenksdistorsionen der AACD - eine sogenannte Continuumdistorsion - niemals fehlen, um bei der Behandlung erfolgreich zu sein. Zylinderdistorsionen rufen als Verhakungen der oberflächlichen Zylinderfaszie ein Missempfinden und eventuell ein Kribbeln in der betroffenen Region hervor. Sie können oft schlecht lokalisiert werden. Bei der Behandlung werden durch leichte Massagetechniken verklebte Faszien entwirrt und wieder in Form gebracht. Unbewegliche Gelenke wie z.B. eine steife Schulter werden in der FDM als tektonische Fixierung bezeichnet. Bei der Behandlung wird eingedickte Synovialflüssigkeit wieder verflüssigt und die Produktion aktiviert. Die Therapie erfolgt durch pumpende und drehende Impulstechniken und ist in diesem Fall eher für den Therapeuten schweißtreibend.

Als Sportmediziner ist das FDM für mich eine in meine tägliche Praxisroutine gut integrierbare Methode, um Beschwerden des Bewegungsapparates schnell und wirkungsvoll zu behandeln. Im Anschluss an die Behandlung wird keine Ruhe empfohlen, sondern Bewegung. So können sich die Faszien wieder verfestigen und das Verkleben verhindert werden. Daher sehe ich in der Methode einen ganzheitlichen Ansatz, der bei vielen Beschwerden ausgesprochen hilfreich ist.

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