In den ersten Wochen meiner neuen Aufgabe wurde ich von den Medien ständig gefragt: Wie solidarisch ist unser Gesundheitssystem, insbesondere weil man fälschlicherweise suggerieren möchte, dass Privatmedizin diese Solidarität gefährdet? In kurzen Interviews kommen die eigentlichen Informationen und Zusammenhänge jedoch häufig zu kurz. Diese Frage verdient daher eine ausführliche sachliche Klarstellung, denn sie basiert auf einem fundamentalen Missverständnis.
Die Realität der Mischfinanzierung
Gefährdet die private Zusatzversicherung wirklich unser Solidarprinzip? Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Betrachten wir konkrete Zahlen: In Salzburg fließt ein erheblicher Anteil der Sonderklassen-Honorare direkt an die Krankenhausträger – das sind jährlich Millionen Euro, die medizinische Geräte, Infrastruktur und Personal für alle Patienten mitfinanzieren. Diese Mittel würden bei Wegfall der Zusatzversicherungen fehlen und müssten durch Steuergelder ersetzt werden.
Wahlärzte: Entlastung statt Konkurrenz
Werden Wahlärzte zu Unrecht als Bedrohung dargestellt? Die Praxis zeigt das Gegenteil: Wahlärzte entlasten nachweislich Kassenordinationen und Spitalsambulanzen. Jeder Patient, der einen Wahlarzt aufsucht, verkürzt die Wartezeit für Kassenpatienten. Diese Entlastungsfunktion ist messbar und dokumentiert.
Internationale Vergleiche bestätigen diesen Ansatz: Erfolgreiche Gesundheitssysteme in anderen europäischen Ländern setzen bewusst auf intelligente Mischfinanzierung. Studien belegen, dass diese Systeme sowohl bei der Zugänglichkeit als auch bei der Qualität der Versorgung bessere Ergebnisse erzielen als reine Staatssysteme.
Alle Patienten erhalten Spitzenmedizin
Was mich besonders stört: Durch pauschale Angriffe auf das Zusatzversicherungssystem entsteht bei manchen Patienten der völlig falsche Eindruck, sie würden ohne private Zusatzversicherung schlechter versorgt. Das Gegenteil ist der Fall! Alle Patienten erhalten in Österreich eine medizinische Spitzenversorgung – unabhängig von ihrer Versicherung.
Diese irreführende Debatte ist auch ein direkter Angriff auf unsere Kolleginnen und Kollegen, die tagtäglich im Kassensystem oder als angestellte Ärzte in den Krankenhäusern hervorragende Arbeit leisten. Sie verdienen unsere uneingeschränkte Wertschätzung, nicht Verunsicherung durch falsche Zwei-Klassen-Vorwürfe.
Arbeitsbedingungen und Nachwuchsförderung
Ein oft übersehener Aspekt: Warum brauchen wir Vielfalt in den Arbeitsbedingungen unseres Gesundheitswesens? Verschiedene Arbeitsmodelle – von Kassenordinationen über Gruppenpraxen bis hin zu Wahlarztpraxen – sprechen unterschiedliche Bedürfnisse unserer Ärztinnen und Ärzte an. Diese Flexibilität wird besonders wichtig für unsere jungen Kolleginnen, die nach Abschluss ihrer Ausbildung oft individuelle Lösungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf suchen.
Zudem steigen viele Ärztinnen und Ärzte erst über die Wahlarzttätigkeit in den niedergelassenen Bereich ein und streben später einen Kassenvertrag an. Das Wahlarztsystem fungiert somit als wichtige Brücke und Einstiegsmöglichkeit in die Niederlassung.
Solidarität richtig verstehen
Echte Solidarität bedeutet nicht, alle Finanzierungsquellen auf eine zu reduzieren. Sie bedeutet, alle verfügbaren Ressourcen intelligent zu nutzen, um optimale Versorgung für alle zu gewährleisten. Das österreichische Gesundheitssystem lebt von dieser Vielfalt.
Wer Privatmedizin als unsolidarisch brandmarkt, übersieht ihre systemstabilisierende Funktion. Private Zusatzversicherungen und Wahlarzthonorare sind keine Bedrohung der Solidarität, sondern moderne Formen derselben – sie ermöglichen es, dass mehr Ressourcen für alle zur Verfügung stehen.
Unser gemeinsamer Auftrag
Als Salzburger Ärzteschaft müssen wir geschlossen gegen die falschen Narrative auftreten, die unser Berufsbild beschädigen. Wir stehen für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem ein, das verschiedene Finanzierungswege intelligent verbindet. Lassen wir uns nicht gegeneinander ausspielen – weder Kassenärzte gegen Wahlärzte noch Spitalsärzte gegen Niedergelassene.
Unsere Stärke liegt in der Solidarität untereinander und im gemeinsamen Eintreten für ein System, das sowohl die Qualität der Versorgung als auch angemessene Arbeitsbedingungen für alle Kollegen sichert.
Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet daher: Unser Gesundheitssystem ist gerade deshalb solidarisch, weil es verschiedene Beitragswege zulässt und intelligent nutzt – und weil wir als Ärzteschaft zusammenstehen.