Von Rechts wegen: Das ärztliche Disziplinarrecht

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Aus der Serie "Von Rechts wegen": Wie das standeseigene Disziplinarrecht die Gesamtinteressen der Ärzteschaft und die Einhaltung der berufsspezifischen Standespflichten garantiert.

Aus der Kammer

Von Mag. Alexandra Straif | med.ium 1+2/2023 | 7.3.2023

Dem Wesen eines freien Berufes mit beruflicher Selbstverwaltung entsprechend beinhaltet das Ärztegesetz (ÄrzteG) ein standeseigenes Disziplinarrecht. Dieses dient dem Zweck, unter Berücksichtigung der Gesamtinteressen der Ärzteschaft für die Einhaltung der berufsspezifischen Standespflichten zu sorgen und eine standesinterne Bewältigung zu ermöglichen. Letztlich soll so das Ansehen der Ärzteschaft nach außen gewahrt und gefördert werden. Beim Disziplinarrecht handelt es sich um ein neben der staatlichen Gerichtsbarkeit bestehendes Strafsystem, in dem die Sachverhalte anhand berufseigener Maßstäbe gemessen werden. Als Ausdruck des berufskollegialen Elements ist insbesondere eine Mitwirkung von anderen Ärzt*innen an der Entscheidungsfindung vorgesehen.

Nicht nur ordentliche Kammermitglieder unterliegen dem Geltungsbereich des ärztlichen Disziplinarrechtes, sondern auch außerordentliche Kammermitglieder (somit u. U. pensionierte Ärzt*innen) und ausländischen Ärzt*innen, die auf Grundlage von Sonderbestimmungen in Österreich tätig werden. Sofern jedoch ein Dienstverhältnis mit einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Körperschaft öffentlichen Rechts mit eigenem Disziplinarrecht besteht, finden die disziplinarrechtlichen Regelungen des ÄrzteG hinsichtlich dieser dienstlichen Tätigkeit keine Anwendung.

Ärzt*innen machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland entweder das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Patient*innen oder den Kolleg*innen gegenüber beeinträchtigen oder die Berufspflichten verletzen. Eine gleichzeitige Verwirklichung beider Tatbestände ist möglich und führt zu einer Strafverschärfung (z. B. bei groben Behandlungsfehlern oder Unterlassung dringend notwendiger Hilfeleistung).

Eine Definition des „Standesansehens“ enthält das ÄrzteG selbst nicht. Der Verfassungsgerichtshof misst diesem Begriff einen Inhalt bei, der „aus den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen und den gefestigten Gewohnheiten des Ärztestandes festgestellt werden kann“. Als Beeinträchtigung des Standesansehens wurden bspw. die unsachliche Herabwürdigung ärztlicher Kolleg*innen, der versuchte Handel mit einer Kassenstellenanwartschaft, die grobe Störung einer wissenschaftlichen Tagung, die einseitige Risikodarstellung von Impfungen ohne Berücksichtigung des Standes der Wissenschaft oder wüste Beschimpfungen eigener Patient*innen eingestuft. Als „Berufspflichten“ gelten nicht nur die im ÄrzteG genannten, sondern alle Pflichten, die der Ärzteschaft im Rahmen der Gesamtrechtsordnung auferlegt werden. So können z. B. nicht nur Verletzungen der Verschwiegenheits-, Dokumentations-, Anzeige-, Fortbildungspflicht, die Überschreitung der Fachgrenze, die unberechtigte Führung von Berufsbezeichnungen, sondern bspw. auch der Verstoß gegen die Werberichtlinie, die Schilderordnung, den Ärztlichen Verhaltenskodex oder das Arzneimittelgesetz geahndet werden.

Die Ausübung der Disziplinargewalt fällt in den Zuständigkeitsbereich der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Das zuständige Organ ist der Disziplinarrat, in dessen Rahmen zur Durchführung der Disziplinarverfahren für den Bereich eines jeden Oberlandesgerichtssprengels zumindest je eine Disziplinarkommission einzurichten ist. Örtlich zuständig ist jene Disziplinarkommission, in der die/der Beschuldigte den Berufssitz, den Dienstort oder den Wohnsitz (im Falle von Wohnsitzärzt*innen) hat. Die Disziplinarkommissionen bestehen jeweils aus einer/einem rechtskundigen Vorsitzenden (auf Vorschlag des Vorstandes der ÖÄK vom BMSGPK bestellt; in Salzburg aktuell Herr Dr. Hans Rathgeb, Präsident des Landesgerichts Salzburg) und zwei ärztlichen Beisitzer*innen (vom Vorstand der ÖÄK bestellt; in Salzburg aktuell Herr OMR Dr. Wolf-Dietrich Kammeringer und Herr MR Dr. Erich Auer). Bei Vorliegen von Ausschließungs- oder Befangenheitsgründen ist das jeweilige Mitglied der Disziplinarkommission nicht in das Verfahren einzubeziehen. Im Sinne der Verfahrensökonomie sind die Disziplinarkommissionen ermächtigt, die Verfahren in den Räumlichkeiten der Landesärztekammern zu führen.

Die Vertretung der Anzeigen obliegt dem Disziplinaranwalt der ÖÄK und seinen Stellvertreter*innen. Diese müssen rechtskundig sein und werden vom Vorstand der ÖÄK bestellt. Der Disziplinaranwalt sowie die Stellvertreter*innen sind an die Weisungen des BMSGPK und des Präsidenten der ÖÄK (nicht der Präsidenten der Landesärztekammern) gebunden. Im Bundesland Salzburg hat dieses Amt die leitende Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Salzburg, Frau Dr. Barbara Fischer, inne.

Ein Disziplinarverfahren kann grundsätzlich von jeglichen Personen und Institutionen initiiert werden, hierfür ist lediglich eine formlose Anzeige des (mutmaßlichen) Disziplinarvergehens erforderlich. Alle einlangenden Disziplinaranzeigen sind zunächst dem Disziplinaranwalt bzw. der/dem zuständigen Stellvertreter*in zuzuleiten. Diese beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Disziplinarverfolgung vorliegen  und beantragen unter Vorlage der Akten gegebenenfalls die Durchführung von Erhebungen oder die unmittelbare Einleitung des Verfahrens.

Die Disziplinarkommission fasst sodann je nach Sach- und Rechtslage einen Rücklegungs-, Einstellungs- oder Einleitungsbeschluss. Im Falle der Einleitung des Verfahrens findet eine nicht öffentliche, mündliche Verhandlung statt. Auf Wunsch der/des Beschuldigten dürfen drei Vertrauenspersonen anwesend sein. Im Zuge der Beweisaufnahme können insbesondere Zeug*innen und Sachverständige gehört werden. Das Beweisverfahren endet mit den Schlussvorträgen des Disziplinaranwaltes und der/des Beschuldigten.

Nach Schluss des Beweisverfahrens erfolgt die geheime Beratung und Abstimmung durch die Disziplinarkommission. Im Rahmen der Entscheidungsfindung können Präzedenzfälle herangezogen werden, wobei jedoch immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalles Rücksicht zu nehmen ist. Das Disziplinarerkenntnis wird mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst und lautet entweder auf Frei- oder Schuldspruch.

Zur Unterstützung kann die/der Beschuldigte auf eigene Kosten eine/einen Verteidiger*in hinzuziehen. Dabei kann es sich entweder um Anwält*innen oder Berufskolleg*innen handeln. Der/Dem Beschuldigten kommt darüber hinaus ein Recht auf Akteneinsicht und Äußerung zu. Mangels Zuständigkeit haben die Präsidenten der Landesärztekammern auf den Verlauf und den Ausgang der Disziplinarverfahren keinerlei  Einfluss.

Das ÄrzteG sieht als Disziplinarstrafen den schriftlichen Verweis, die Geldstrafe, die befristete Untersagung der Berufsausübung und die Streichung aus der Ärzteliste vor. Unter Setzung einer Bewährungsfrist ist eine bedingte Verhängung von Strafen ebenfalls zulässig. Als eine Art Zusatzstrafe kann, sofern es im Interesse der Wahrung des Standesansehens und der Einhaltung der Berufspflichten erforderlich erscheint, die Veröffentlichung des Erkenntnisses (auf der Homepage oder in der Ärztezeitung) angeordnet werden.

Rechtskräftig gewordene Strafen sind in das Disziplinarregister der ÖÄK einzutragen und nach Verstreichen der Tilgungsfrist wieder daraus zu löschen. Die Präsidenten der Landesärztekammern erhalten Abschriften der Eintragungen, die die eigenen Kammermitglieder betreffen.

Gegen ein Disziplinarerkenntnis kann binnen vier Wochen Beschwerde an das zuständige Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Der Disziplinaranwalt bzw. seine Stellvertreter*innen genießen im Rechtsmittelverfahren Parteistellung und sind daher ebenfalls beschwerdelegitimiert. Geschädigte Patient*innen sind demgegenüber nicht als Parteien am Disziplinarverfahren beteiligt und können daherweder Ansprüche geltend machen, noch die Entscheidungen anfechten.

Ansprechperson

Mag.a Alexandra Straif

Servicebereich Recht
+43 662 871327-146
straif[at]aeksbg.at

Aus dem med.ium

Ausgabe 1+2/2023

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