Arbeitsplatz Spital: Wie die Jungen künftig arbeiten wollen

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Zu wenig Zeit für ärztliche Aufgaben, zu viel Administration. Damit der Arztberuf weiter attraktiv bleibt, müsse wieder mehr die Medizin im Vordergrund stehen und nicht die Bürokratie, mahnten JungmedizinerInnen bei der ÖÄK-Enquete in Linz.

LINZ - Wie genau möchte die nächste Generation an Ärztinnen und Ärzten künftig im Spital arbeiten und welche Vorstellungen vom Arztsein und von den Arbeitsbedingungen hat sie? Diesen Fragen gingen bei der Enquete der Bundeskurie Angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) am 10. Mai 2023 am MedCampus in Linz Expertinnen und Experten aus Zukunftsforschung, Medizin, Gesundheitspolitik und Bildungspolitik nach.

Angesichts drohendem Ärztemangel und aktuellen Herausforderungen wie Überstunden und Personalmangel eine berechtigte Frage. Wie kann man den Arztberuf auch für kommende Generationen weiter attraktivieren, um so die Versorgung und den Nachwuchs an medizinischem Personal sicherzustellen? Chancen im österreichischen Gesundheitssystem bestehen ja bereits, in Kombination mit dem Wunsch nach flexibleren Arbeitszeitmodellen, einer hochqualitativen Ausbildung, nach weniger Bürokratie und nach einer besseren Entlohnung.

Die TeilnehmerInnen der Enquete der Bundeskurie für angestellte Ärzte haben die brennenden Probleme und zukünftigen Lösungsansätze für eine nachhaltige Attraktivierung des Arztberufs im öffentlichen Gesundheitssystem ausgiebig diskutiert. Mit dem Fazit, dass wegen einem Zuviel an administrativen Tätigkeiten aktuell zu wenig Zeit für die eigentlichen medizinischen Aufgaben bleibt.

Das ist besonders von jungen Ärztinnen und Ärzten wie Cornelia Sitter, Jungmediziner-Referentin und Turnusärztin in Steyr, zu hören: „Die meisten Klagen über zu viel Bürokratie und Dokumentation vernehmen wir besonders bei Ärztinnen und Ärzten in Ausbildung – dort macht das sogar knapp 50 Prozent der Arbeitszeit aus. Wenn wir es schaffen, das zu ändern, wäre dies schon ein ganz wichtiger Schritt zu einer deutlichen Attraktivierung des Arztberufs.“

Unbestritten ist, dass die Jungen höchst motiviert sind, das zu tun, wofür sie ausgebildet wurden – nämlich Ärztin oder Arzt zu sein und die Patienten bestmöglich zu betreuen und zu versorgen. „Aber das wollen sie nur tun, wenn man ihnen dafür ausreichend Zeit gibt und sie nicht mit bürokratischen Tätigkeiten oder anderen Hürden daran hindert", so Michael Sacherer (Präsident Ärztekammer für Steiermark und Leiter des Referats für JungmedizinerInnen der ÖÄK) bei einer Pressekonferenz der ÖÄK am 16. Mai 2023 zur selben Thematik in Graz.

Schon 2019 hatte eine Spitalsärztebefragung ergeben, dass nur 58 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit tatsächlich auf ärztliche Aufgaben entfallen, 37 Prozent auf Administration und fünf Prozent auf Lehre und Forschung.

Ganz oben auf der Prioritätenliste der Jungen steht die optimale Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. „Die Jungen wollen die Rückbesinnung auf die Kernaufgaben als Arzt, mehr Zeit fürs Arztsein bei gleichzeitiger Abstimmung auf das jeweilige, ganz individuelle Lebensmodell.“ Diese Kombination würde auch verhindern, dass jede/r sobald wie möglich in eine Wahlarztpraxis flüchtet. „Wenn du als junger Arzt im Spital Zeit bekommst für das, was du gerne machen möchtest, nämlich als Facharzt in deinem Spezialgebiet Menschen zu helfen, dann wirst du dich auch im Spital wohlfühlen und deinen Beruf gerne machen – und bleiben", so Sacherer.

„Wir Ärztinnen und Ärzte sind aber auch Menschen und wir haben Familien und andere Bedürfnisse, auch wir wollen echte 40 Stunden arbeiten und unsere Arbeitszeit darf nicht mit 50 oder 60 Wochenstunden geplant werden. Viele der jüngeren Ärzte haben – wenn möglich – auf Teilzeit reduziert und auf Geld verzichtet, damit sie auf echte 40 Stunden in der Woche kommen.“  

 

Dr. Cornelia Sitter, Jungmediziner-Referentin und Turnusärztin

Die Realität sieht jedoch oft anders aus. Es bleibt kaum Zeit für die Patienten und kaum Zeit für sich selbst – da die Arbeitszeit laut dem KA-AZG mangels Personals kaum eingehalten werden kann und „versteckte“ Überstunden auf der Tagesordnung stehen. Dazu kommt, dass die Dienste aufgrund fehlender Personalressourcen kaum planbar sind, insbesondere nachts oder an den Wochenenden.

"Die Arbeitsbelastung der Ärzte in den Spitälern nimmt weiter zu, Ausbildung kann nicht als ‚Hobby‘ unserer Ärzte betrachtet werden – es wäre ein überfälliges Zeichen der Wertschätzung, wenn die Spitalsträger flächendeckend Ausbildungsoberärzte installieren würden, und zwar ausnahmslos in jeder Abteilung im Spital, in der ausgebildet wird. Die Ressourcen für Ausbildung müssen sofort drastisch erhöht werden – personell und auch zeitlich." 

 

Michael Sacherer, Präsident der Ärztekammer für Steiermark und Leiter des Referats für Jungmedizinerinnen und Jungmediziner der ÖÄK

Aus Sicht der ÖÄK auch unverständlich, dass die Länder und Gesundheitsträger zahlreiche bereits bewilligte Ausbildungsstellen brachliegen lassen, während viele Jungärztinnen und Jungärzte auf Wartelisten für einen Ausbildungsplatz ausharren. In einigen attraktiven Fächer wie Radiologie sind mehr als 40 Prozent der genehmigten Plätze nicht besetzt. „Da brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Jungen ins Ausland gehen oder erst gar nicht den Arztberuf ergreifen. Jung und motiviert zu sein, aber dann kein Ausbildungsstelle zu bekommen, weil die Spitäler keine Ressourcen haben und stattdessen auf Wartelisten zu verharren – das ist es sicher nicht, was sich unsere jungen Ärztinnen und Ärzte für die Zukunft wünschen", so Sacherer abschließend.

 

Quelle: 

www.aerztekammer.at/home/-/asset_publisher/topnews/content/pa-was-jungaerzte-wollen/261766