Die neue Referentin für Umweltmedizin

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Die neue Referentin für Umweltmedizin Dr.med.univ. Johanna Schauer-Berg, MPH stellt sich vor und erzählt im Interview, welche Agenden sie sich vorgenommen hat.

Medizin in Salzburg

Von Mag. Christoph Schwalb | med.ium 10+11+12/2022 | 17.1.2023

med.ium: Welche Agenden haben Sie von Ihrem Vorgänger Dr. Oberfeld übernommen?

Dr. Johanna Schauer-Berg: Dr. Oberfeld hat jahrelang das Umweltreferat der Ärztekammer Salzburg geführt. Zahlreiche Initiativen insbesondere im Bereich Luftqualität und Strahlenschutz sowie die umweltmedizinische Ausbildung sind auf sein Engagement zurückzuführen. Nun darf ich das Referat übernehmen und einerseits in beratender Funktion für Anfragen zur Verfügung stehen, andererseits in gestaltender Funktion meine Expertise einbringen. Es freut mich, dass Dr. Oberfeld im bereits angelaufenen Lehrgang für Umweltmedizin weiterhin mit seiner Expertise zur Verfügung stehen wird.

med.ium: Was sind in Ihren Augen die kommenden Herausforderungen?

Dr. Schauer-Berg: Die Klimakrise ist zu DER globalen Herausforderung unserer Zeit angewachsen. The LANCET bezeichnete sie bereits 2009 als „the biggest threat for health in the 21th century“. Aus dem letzten IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) Bericht ist deutlich zu entnehmen, dass sich das Zeitfenster für effektive Gegenmaßnahmen schließt. Wir stehen also vor der Wahl „Change by design“ oder „Change by disaster“. Als Ärztinnen und Ärzte stehen wir an erster Front, wenn es darum geht, die Konsequenzen zu tragen, denn die Klimakrise ist eine Gesundheitskrise! Gerade mit der Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen stehen wir vor massiven Herausforderungen für unser Gesundheitssystem, insbesondere auch in Hinblick auf die demographische Entwicklung in Österreich.

Es gibt jedoch auch eine gute Nachricht: Klimaschutzmaßnahmen wie Umstellung der Ernährung und ein Plus an aktiver Mobilität haben ein hohes präventives Potential. Wir als Ärztinnen und Ärzte können uns hier besonders fundiert einsetzen, um eine Win-Win-Situation zu schaffen: nicht nur für den Planet Erde, sondern insbesondere auch für unsere Patient:innen. Die genannten Maßnahmen können zu besserer Lebensqualität und auch zu einer Reduktion der Gesundheitskosten führen. Aus meiner Perspektive ist ein Plus an gesunden Lebensjahren auch kein Verzicht!

Gleichzeitig tragen wir aber in der Patient:innen-Versorgung zum Ausstoß von Treibhausgasen bei – in Österreich sogar 7 % des nationalen Fußabdrucks, d. h. wir belegen unter allen Dienstleistungsektoren den wenig ruhmreichen Platz 1. Somit sind wir nicht nur mit den Gesundheitsfolgen des Klimawandels konfrontiert, sondern tragen auch dazu bei – der Gesundheitssektor muss sich daher noch mehr dem Klimaschutz verschreiben!

med.ium: Was sind die Herausforderungen für Kliniken, Praxen, Patienten und Klima?

Dr. Schauer-Berg: Die Klimakrise stellt uns vor zahlreiche Herausforderungen, als erstes möchte ich kurz auf die Gesundheitsfolgen eingehen. Hier sind wir einerseits mit direkten Folgen, d.h. mit Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Überschwemmungen und Muren konfrontiert, andererseits mit indirekten Folgen wie beispielweise der Zunahme an Allergien und Atemwegserkrankungen, der Veränderung von infektiösen Erkrankungen oder der Ausbreitung von Vektoren.

„Für mich ist die Klimakrise also keine anonyme CO²-Statistik, sondern wenn ich an die Klimakrise denke, sehe ich die Gesichter von Patient:innen und Kolleg:innen. Für mich ist Klima- und Umweltschutz somit essentieller Bestandteil meines ärztlichen Selbstverständnisses.“

Weiters braucht es eine Transformation im Gesundheitssektor, nicht nur in Hinblick auf Klimaschutz (Reduktion des ökologischen Fußabdrucks), sondern insbesondere auch mit Klimaanpassungsmaßnahmen, um eine proaktive Antwort auf die nicht abwendbaren Klima-Gesundheits-Folgen geben zu können. Ein praktisches Beispiel wäre die Anpassung von Medikamentendosierungen während einer Hitzephase, denn viele Medikamente interagieren mit Thermoregulation, oder die Erstellung von Hitzeplänen für Gesundheitseinrichtungen.

med.ium: Warum engagieren Sie sich persönlich in diesem Bereich?

Dr. Schauer-Berg: Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es äußerst belastend ist, bei über 30 Grad im obersten Stockwerk einer schlecht isolierten Klinik zu arbeiten, sowohl für Patient:innen als auch für uns als Gesundheitspersonal. Aber auch durch meine Tätigkeit als Pflegegeldgutachterin sehe ich in Bezug auf Hitze die riesigen Herausforderungen, vor denen wir stehen, insbesondere in Hinblick auf die demographische Entwicklung in Österreich. Ich muss hier aber klar sagen: Hitze betrifft uns alle!

Bei mir persönlich kommt sicher noch eine globale Sichtweise hinzu. Ich habe persönlich gesehen, wie sich steigender Meeresspiegel und die Zunahme der Intensität von Zyklonen auf die sehr flachen, tiefliegenden Inseln im Golf von Bengalen auswirken und vor allem auf die Gesundheit der dort lebenden Bevölkerung. Für mich ist die Klimakrise also keine anonyme CO²-Statistik, sondern wenn ich an die Klimakrise denke, sehe ich die Gesichter von Patient:innen und Kolleg:innen.Für mich ist Klima- und Umweltschutz somit essentieller Bestandteil meines ärztlichen Selbstverständnisses.

Dank auch an Dr. Gerd Oberfeld: Die Salzburger Ärztekammer bedankt sich beim scheidenden Referenten für Umweltmedizin Dr. Gerd Oberfeld für sein langjähriges Engagement und für seine Expertise in diesem so breit aufgestellten Referat.

Curriculum Vitae

Berufliche Erfahrung

  • Seit November 2021: Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg (PMU)
  • Juni 2020 – Juni 2022: Ärztlicher Dienst der Landesstelle Salzburg, Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS)
  • Jänner 2015 – Juni 2018: Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin mit ‚jus practicandi‘ im LKH Salzburg bei den BHB Salzburg und im UKH Salzburg 

Akademische Ausbildung

  • 2015 – 2017: Masterstudium Public Health im Rahmen des ULG MPH an der Medizinischen Universität Wien
  • Schwerpunkt: Prävention und Gesundheitsförderung
  • Förderstipendium des Fonds Gesundes Österreich
  • 2006 – 2013:Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien 

Sonstiges

  • Delegierte des Weltärztebund zu UNFCCC Weltklimakonferenzen, SB56 und COP27
  • Ärztekammerdiplom für Umweltmedizin 2021
  • Berufsbezogene Auslandsaufenthalte in der Schweiz, Ghana, Indien und Albanien

Aus dem med.ium

Ausgabe 10+12+12/2022

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe der Salzburger Ärztezeitung med.ium